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SPARMASSNAHMEN

Mannheimer Morgen, 23.4.16, Stefan M. Dettlinger

Das Interview: Intendant Peter Spuhler über die geplanten Einsparungen in Karlsruhe und am Badischen Staatstheater

„Vierzig Arbeitsplätze in Gefahr“
 
Mit Blick auf die Sparpläne der Stadt Karlsruhe beim Badischen Staatstheater und dem Zentrum für Kunst und Medientechnologie (ZKM) warnt die Landesregierung vor "schwerem Substanzverlust". Einer, den das Sparen sehr treffen würde, ist der ehemalige Heidelberger Intendant Peter Spuhler, der jetzt das Badische Staatstheater leitet. Er spricht von 40 Stellen, die bedroht wären, wenn so gespart wird, wie es der Plan vorsieht. Im Gespräch aber zeigt er noch einen Funken Hoffnung.
 
Herr Spuhler, es kursieren Zahlen von zwei Prozent, die Sie weniger bekommen. Ministerin Theresia Bauer spricht jetzt von 3,6 Prozent jährlich. Können Sie aufklären?
Peter Spuhler: Die Stadt plant derzeit Einsparungen bei allen Kultureinrichtungen von 3,6 Prozent für den Zeitraum von 2017 bis 2022. Korrespondierend würde bei uns der Landesanteil in gleicher Höhe wegfallen. Das ergibt in sechs Jahren zusammen ca. elf Millionen Euro. Der aktuelle Vorschlag der Stadt sieht vor, dass das Staatstheater 2017 und 2018 mit einem niedrigeren Prozentsatz startet.

Warum die Sonderbehandlung?
Spuhler: Weil die Planungen des Theaters weitgehend fix sind. Und das bedeutet leider nicht, dass sich die Summe insgesamt verringert. Für uns geht es um mindestens 40 Arbeitsplätze.

Müssen Sie eine Sparte schließen?
Spuhler: Wir haben ja momentan Oper, Ballett, Schauspiel, Konzert, Junges Staatstheater und Volkstheater. 40 Stellen entsprechen einer großen Sparte. Die Alternative wäre, überall etwas wegzunehmen und so mehrere Bereiche zu beschädigen.

Was ist besser?
Spuhler: Beides wäre unvernünftig - um so mehr, als alle Sparten derzeit künstlerisch maximal erfolgreich sind. Und wir verzeichnen eine intensive Nachfrage der Zuschauer und Besucherrekorde. Ob man das Ganze dann noch Staatstheater nennen kann?

Braucht ein Staatstheater ein Bürgertheater, wo die Bürger doch ohnehin ihr Theater machen?
Spuhler: Ja. Der Bürger heute will beteiligt werden - und das ist gut so. Die Zeiten haben sich stark verändert. Wenn wir die Institutionen für die Zukunft absichern wollen, müssen wir hier aktiv werden. Englische Kulturinstitutionen machen es uns seit Jahrzehnten vor. Deutschland ist hier beunruhigenderweise zurück. Ich sehe Mannheim und Dresden, auch Freiburg, vorne im Nachdenken über diese neue Kunst- und Beteiligungsform. Doch bei den Kürzungen jetzt geht es um viel mehr!

Sie meinen: Es geht ums Ganze, also das Bekenntnis zur Institution öffentliche Bühnen?
Spuhler: Leider steht noch mehr auf dem Spiel, auch im Sozialbereich und bei den kleinen Kultureinrichtungen. Vor wenigen Monaten feierte Karlsruhe seinen Geburtstag und machte bundesweit auf sich aufmerksam als innovative, zukunftsgewandte Stadt der Kultur, Wissenschaft und des Bürgers. Wir haben sehr gerne unseren Anteil geleistet, weil wir stolz auf unsere Stadt und ihre Potenziale sind, gerade im kulturellen Bereich - denken Sie nur an das ZKM. Wo gibt es das sonst! Jetzt ist dieser Aufbruch, dieses positive Image gefährdet.

Was wollen Sie tun?
Spuhler: Alles, um gegenzusteuern. Und es darf keine Ungerechtigkeit geben. Soweit ich gehört habe, kommt die Stadt sonst ohne betriebsbedingte Kündigungen aus. Bei uns wird es nicht ohne Verzicht auf Mitarbeiter gehen - es sei denn, die Einsparsumme wird deutlich verringert. Dass wir uns an den Bemühungen zur Haushaltskonsolidierung beteiligen müssen und wollen, ist dabei völlig klar.

Wo würden Sie sparen, wenn Sie Oberbürgermeister Frank Mentrup wären?
Spuhler: Ich habe allergrößten Respekt vor der Aufgabe des OB, und er hat das ja nicht verschuldet. Karlsruhe ist eine prosperierende Wachstumsstadt. Dennoch könnte finanzielles bürgerschaftliches Engagement von Firmen und vermögenden Bürgern noch größer geschrieben werden. Hier hat das Bekenntnis zum Standort teilweise nicht die Qualität wie an anderen Orten.

Aber das Problem liegt momentan doch im städtischen Haushalt...
Spuhler: ...ich weiß, dass das das Problem nicht löst, aber es wäre eine Hilfe in der Bewältigung der Krise. Unvernünftig wäre es aus meiner Sicht, gerade in Zeiten knapper Kassen auf Landesgeld zu verzichten. Das tut man aber durch Sparmaßnahmen etwa am ZKM oder am Staatstheater in hohem Maße ...

Dabei müsste Mentrup doch wissen, dass es Städte in gleichen Größenordnung gibt, die viel mehr Geld als 22 Millionen ins Theater stecken - etwa seine Geburtsstadt Mannheim, die rund zehn Millionen Euro mehr fürs NTM gibt...
Spuhler: ... ja, das ist so: Karlsruhe bekommt durch die Staatseinrichtungen viel Kultur vergleichsweise günstig. Leider ist das vielen nicht klar. Kürzungen in dieser Größenordnung wären übrigens einmalig in einem strukturstarken westlichen Bundesland.

Was tun Sie, wenn es bei den erwähnten Sparvorgaben bleibt?
Spuhler: Ich glaube sehr an die Kraft der Überzeugung. Wir haben es hier mit vernünftigen Menschen zu tun. Diese Beschädigungen kann niemand wollen. Ich hoffe sehr, dass es nicht dabei bleibt, bei uns nicht und nicht bei den Kleinen oder im Sozialbereich.


© Mannheimer Morgen, Samstag, 23.04.2016

http://www.morgenweb.de/nachrichten/kultur/regionale-kultur/vierzig-arbeitsplatze-in-gefahr-1.2743008

 

BNN, 27.4.2016, Theo Westermann


Karlsruhes leere Kasse

... In Karlsruhe laufen die Ausgaben den Einnahmen davon, das ist das Grundproblem. Aber vieles, was Karlsruhe ausgibt, ist das Ergebnis von Bundes- oder Landesgesetzen. Die Sozial- oder die Familienpolitik wird in Berlin gemacht, zum großen Teil aber in Städten und Gemeinden bezahlt. Deshalb ist das, was gestern im Karlsruher Gemeinderat geschah, nur das Herumdoktern an Symptomen ... Der gestern zwar einig agierende aber auch ratlos wirkende Gemeinderat hat die allermeisten Kürzungen gebilligt, einiges davon gestoppt, aber damit an der Malaise nichts grundsätzlich geändert. Ganz viele Bereiche mussten bluten ... Karlsruhe muss klar definieren, was es sich künftig leisten will.

Da geht der Blick auf Leuchttürme wie Staatstheater oder ZKM. Sie mussten gestern mit den größten Sparbeitrag leisten. Die Frage ist, ob man diese für Karlsruhe so wichtigen Einrichtungen ernsthaft nachhaltig schädigen will, denn die Landeszuschüsse für sie sind an den Karlsruher Beitrag gekoppelt. Nur ein Beispiel: Unbestritten ist doch, dass das marode Staatstheatergebäude saniert und umgebaut werden muss. Wenn dann aber am Schluss nur noch eine leere Hülle bleibt, dann hat man zu viel gespart – und nichts gewonnen.

SWR 2, 26.4., Marie-Dominique Wetzel

Hören Sie Peter Spuhler im Gespräch zu den geplanten Sparmaßnahmen hier.

 SWR 2, 27.4., Kommentar von Marie-Dominique Wetzel

... Streichkonzerte sind immer Verteilungskämpfe. Und da wird wieder einmal deutlich: in Karlsruhe denkt man, Kultur sei Luxus. Damit schmückt man sich gerne, aber wenn die Kassen nicht mehr so voll sind, kann man diese "freiwilligen Leistungen" jederzeit streichen. Und was verliert man schon? Viel, sehr viel, zu viel!
Wir haben ein Badisches Staatstheater, das brummt. Hier werden gesellschaftliche Themen verhandelt und angestoßen, hier entstehen neue Stücke zur Überwachung im Internet, zur rechtsextremen Szene in Deutschland, zur immer noch schwierigen Beziehung zu Israel – hier kann man erleben, dass die Oper und sogar das Ballett durchaus auch politisch sein können. Die Karlsruher wollen Brot UND Spiele!
Ich brauche das Theater genauso dringend wie meine Brötchen! Und zwar ein Theater, das neue Formen ausprobiert, das künstlerisch etwas wagt und ganz vorne mit dabei ist – und das geht eben nicht "auch billiger". Qualität hat ihren Preis! In anderen Bereichen ist das unbestritten, nur in der Kultur muss man immer wieder dafür kämpfen ...
Der Generalintendant Peter Spuhler ist mit dem Auftrag eingestellt worden, ein Kinder- und Jugendtheater aufzubauen, das Theater in die Stadt hinein zu öffnen, neue Besuchergruppen anzusprechen – alles eingelöst. "Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan – der Mohr kann gehen?"
Nun ist die Landesregierung gefragt: Sie kann nicht einfach dabei zu sehen, wie die Stadt das gemeinsam finanzierte Staatstheater kaputt spart.

 

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